Moderation:
6. August 2010, der zweithöchste Berg der Welt – der K2. Es ist windig und schlechte Sicht. Extrembergsteiger Frederic Ericsson wagt dennoch den Aufstieg – stürzt ab und verunglückt tödlich. In seiner unmittelbaren Nähe Gerlinde Kaltenbrunner. Sie erlebt den Absturz hautnah und bricht ihre Besteigung ab.

O-Ton Kaltenbrunner:
Also ein Scheitern, Niederlage ist für mich echt, wenn ich jetzt – ich sehe das ein bisschen krass – aber wenn ich jetzt vom Berg zum Beispiel selber nicht mehr zurückkommen würde oder eben einer meiner Team-Kollegen oder mein Partner nicht mehr zurückkommen würde und so wie voriges Jahr am K2 – das war schon ein sehr großer Rückschlag, muss ich zugeben.

Moderation:
Im Alltag kennen wir diese Extreme nicht. Und dennoch gibt es Parallelen zwischen sportlichem, beruflichen und privaten Scheitern. In allen Fällen werden Ziele und Anforderungen, die man sich persönlich setzt oder die von außen gestellt werden, nicht erreicht. Manfred Ambach, WIFI-Trainer für Persönlichkeitsentwicklung, kennt typische Beispiele dafür.

O-Ton Ambach:
Typische berufliche Niederlagen können sein, dass ich beispielsweise eine Stelle, bei der ich mich beworben habe, nicht erreiche, dort abgelehnt werde oder dass ich ein Projekt initiiere, organisiere und dieses Projekt dann fehl läuft.

Im privaten Bereich gibt es hier durchaus Parallelen, dass ich eben persönliche Belange nicht umsetzen kann, dass ich zum Beispiel mit Personen nicht in eine entsprechende Beziehung treten kann bzw. auch hier Vorstellungen nicht umsetzen kann, beispielsweise was meine eigene Lebensweise betrifft, was die Entwicklungen der Kinder betrifft und Ähnliches.

Moderation:
Die Gefahr zu scheitern, besteht immer. Zwei Tipps helfen Ihnen vorab: Setzen Sie sich immer realistische Ziele und hegen Sie keine unrealistischen Erwartungen. Den K2 werden Sie ohne monatelange Vorbereitung nicht besteigen können. Der zweite Tipp ist, sich der Risiken schon vorab bewusst zu sein.

O-Ton Kaltenbrunner:
Ich stelle mich oft ganz bewusst wieder dieser Situation, um da dann drüber hinweg zu kommen, wie das gewesen ist, wie der Lawinenabgang war zum Beispiel. Da habe ich mir gedacht, also für mich ist nie zur Debatte gestanden, deshalb aufzuhören mit dem Bergsteigen. Das ist mein Leben, das spüre ich von innen heraus. Und das war so dass ich mir gedacht habe, ok, ich möchte so bald wie möglich wieder hin, zurück. Und ich habe mich dann auch bewusst noch mal dieser Stelle gestellt, bin alles noch einmal durchgegangen, obwohl das echt auch ein Stück weit weh getan hat. Aber ich habe gewusst, das muss jetzt so sein und so habe ich das für mich letztendlich gut verkraftet. Und bin eben wieder dort unterwegs gewesen, wo ich eigentlich trotzdem am liebsten bin, nämlich in den Bergen.

Moderation:
Um von einer Niederlage wirklich zu profitieren, suchen Sie nicht nach der Schuld, sondern nach den Ursachen. Ein typischer Fehler nach Niederlagen ist, sich als Opfer zu sehen, das in diese Situation geschlittert ist. Wenn Sie die Gründe nur bei anderen oder in den Verhältnissen sehen, können Sie auch nichts für die Zukunft aktiv ändern.

O-Ton Ambach:
Wenn ich beispielsweise ein Projekt plane und versuche umzusetzen und dieses Projekt scheitert – ich habe mich bei einem Wettbewerb beworben und bin hier Zweiter und komme nicht zum Zuge – dann schaue ich, was hat denn der Erste anders gemacht, was habe ich eventuell nicht berücksichtigt, so dass ich bei weiteren Projekten hier fortschreiten kann in meiner eigenen Entwicklung und so eben zur Spitze voranstoße.

Moderation:
Vom Loser zum Winner-Typ werden – das geht, wenn Sie die Ursachen der Niederlage ergründen und allfällige Defizite in Angriff nehmen. Wenn Sie bei einer Prüfung ein Nichtgenügend bekommen, weil Sie den Stoff nicht beherrscht haben, ist Pauken angesagt. Bei  zwischenmenschlichen Niederlagen gilt es, auch die Bedürfnisse des Gegenübers zu sehen und zu akzeptieren. Hier helfen Gespräche mit vertrauten Menschen.

O-Ton Kaltenbrunner:
Also, es ist nicht so, dass ich, wenn ich jetzt eine Niederlage oder einen Rückschlag habe, da total mein Selbstvertrauen deswegen verliere. Ich analysiere schon ganz genau, warum war das jetzt so, was ist da genau passiert, ist das jetzt wirklich aufgrund eines ganz eigenen Fehlers, den ich jetzt gemacht habe oder waren das jetzt äußere Umstände oder beides miteinander. Ich gehe dann schon immer sehr positiv ran, weil ich mir denke: Ok, nächstes Mal muss ich das noch mal anders machen oder möchte ich das anders machen und noch einmal vielleicht ein bisschen genauer hinschauen.

Moderation:
Mit der gezielten Vorbereitung minimieren Sie auch die Angst vor einem weiteren Scheitern. Eine Niederlage soll kein Grund zur allgemeinen Aufgabe sein.

O-Ton Ambach:
Es gibt Menschen, die wir kennen, die sehr gut mit Niederlagen umgegangen sind – die nämlich das Motto von Karl Jaspers "Die Hoffnungslosigkeit ist schon die vorweg genommene Niederlage" ins Gegenteil verkehrten. Richard O´Brien, ein Musical-Komponist – und zwar der von Rocky Horror Picture Show –, hatte sich unzählige Male als Darsteller bei Musicals beworben. Er wollte gerne bei Musicals von Andrew Lloyd Webber mitwirken, es ist ihm x-male abgelehnt worden und er hat dann die Strategie eingeschlagen, selbst ein Musical zu schreiben, darin eine Rolle, die ihm liegt und ist mit Rocky Horror Picture Show wohl nicht unerfolgreich geworden.

Moderation:
Mit dem Lernen aus Niederlagen kommt also auch der Erfolg zu Ihnen. Haben Sie deshalb keine Angst vorm Scheitern – schon im nächsten Moment kann es sich für Sie als Erfolg herausstellen. Wie bei Gerlinde Kaltenbrunner, als Sie eine Gipfelerklimmung abbrechen musste.

O-Ton Kaltenbrunner:
Also sicher mit einer der größeren Erfolge war, dass wir damals im Jahr 2005, wie unser japanischer Teamkollege höhenkrank geworden ist und an einem Hirnödem erkrankt ist, ihn aus 7.800 Metern wieder gut runtergebracht haben, gemeinsam mit meinem Mann ins Basis-Lager. Also da haben wir schon beide gesagt, das war jetzt eigentlich so unser schönster Erfolg, bis zum heutigen Tag. Ich glaube in dem Moment, wo man Menschenleben retten kann, da steht alles andere im Schatten.