Von Werten lernen: Warum Großvaters ehrliches Handeln gar nicht so uncool ist und was Ethik Unternehmen bringt

Moderation:
Ehrlich und anständig soll man sein. Das wird bereits unseren Kindern eingetrichtert. In der Wirtschaft ist das auch so. Und trotzdem unterscheidet sich das Unternehmertum vom täglichen Leben. Werte und Ethik wurden durch Gewinnmaximierung und Kostensenkung in den Hintergrund verdrängt. Die Krise hat jetzt zum Nachdenken angeregt. Alte Werte leben wieder auf. Für Clemens Sedmak, Universitätsprofessor für Sozialethik ist es traurig, dass Menschen motiviert werden müssen, um nach diesen Werten zu leben.

O-Ton Clemens Sedmak:
Denn Ethik ist an sich die Lehre des guten Lebens. Und im Grunde genommen ist die Frage, was heißt es, ein sittlich gutes Leben zu führen, man will ja auch als Ehemann, als Ehefrau, als Familienvater, als Familienmutter, als Freundin, als Sohn, als Tochter und so weiter gut bestehen können, das sollte eigentlich selbstverständlich sein. Sowohl auf der Ebene von Einzelnen als auch auf der Ebene von Institutionen, wie etwa auch Unternehmen sind.

Moderation:
Waren Unternehmen im 20. Jahrhundert vor allem durch Produktivität gekennzeichnet, so achtet die Gesellschaft heutzutage immer mehr auf das soziale Verhalten und Engagement von Firmen. Unternehmer und Arzt Cay von Fournier hält Ganzheitlichkeit für das einzig funktionierende Erfolgsrezept.

O-Ton Cay von Fournier:
Es ist eine gute Strategie, solide zu wissen wohin man will. Es ist eine gute Steuerung, es ist eine ordentliche Organisation und die gute Führung von Menschen. Das sind so vier Säulen, das ist erst mal nichts Neues. Was das 21. Jahrhundert besonders machen würde, würde sein, dass der Mensch eine viel zentralere Rolle spielt. Und zwar nicht so als nur schönes Lippenbekenntnis, sondern gerade Faktoren wie Kreativität, wie Innovation, neue Geschäftsmodelle, Emotionalisierung von Dienstleistungen, hohes Engagement, das sind alles sehr menschliche Faktoren und wenn Sie in die Betriebswirtschaft reinschauen, nennen wir Maschinen heute immer noch Investitionen und Menschen nennen wir Kosten. Und ich glaube, dass wird sich jetzt ändern, Menschen sind Investitionen und Maschinen sind Kosten. Ich glaube, dass muss im Bewusstsein jetzt recht zügig von Unternehmern, Führungskräften und Unternehmen ankommen und nicht einfach nur als Lippenbekenntnis. Sondern weil es einfach für das Überleben des Unternehmens notwendig ist.

Moderation:
Eine Frage, die sich viele Unternehmer stellen ist, wie sie diese ethischen Werte in ihrem Unternehmen integrieren können. Clemens Sedmak ganz klar...

O-Ton Clemens Sedmak:
...von oben und von unten. Von oben in Form der Vorbildwirkung, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind sehr sensibel was sich da oben abspielt. Ich glaub weniger an Ethik, Codizes, Hausordnungen und Ähnliches, aber auch von unten durch das selbstverständliche ethische Engagement von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die das deswegen machen, weil es sich so gehört und nicht weil ich dann irgendwelche Gratifikationen zu gewinnen habe.
O-Ton Cay von Fournier: Eigentlich jetzt so viel Neues, ich meine, vielleich auch wieder von alten Werten zu lernen. Jetzt kann man vielleicht mal so gucken wie es der Großvater damals gemacht hat, so ganz uncool war das gar nicht, sondern eben, ja, bodenständig und ehrlich, offen mit den Dingen umzugehen. Wenn es Ihnen gelingt, alte Werte mit neuen Strategien, mit neuen Technologien, mit Veränderungen zu kombinieren, dann werden Sie im 21. Jahrhundert erfolgreich sein. Wenn es Ihnen nicht gelingt, weil Sie entweder die Veränderungen nicht annehmen oder die Werte über Bord werfen, dann werden Sie Schwierigkeiten bekommen. Wobei, ich sag Ihnen auch eins, es ist nicht immer automatisch so, dass ethische Unternehmen automatisch ökonomisch erfolgreicher sind, es gibt auch durchaus ein paar Spitzbuben, die sind ein bisschen erfolgreicher. Aber die Frage ist, dass eben Ethik und Ökonomie in einer Gesellschaft wahrgenommen wird, dass es zwei Dimensionen sind, die beide wichtig sind. Wir müssen gute Leistungen erbringen. Wir müssen besser sein als andere im Wettbewerb, um wirtschaftlich voranzukommen. Aber wir müssen eben auch ethisch agieren, dass die Gesellschaft auch zusammen bleibt.

Moderation:
Um sich nach außen hin gut zu präsentieren, achten viele Unternehmen auf die „Corporate Social Responsibility“, kurz CSR. Ein laut Cay von Fournier schönes neudeutsches Wort, das die Verantwortung von Firmen der Gesellschaft gegenüber bezeichnet. So neu und besonders CSR für die Unternehmer heute ist, so alt sind die Aktivitäten und Aktionen, die damit gemeint sind.

O-Ton Cay von Fournier:
Früher haben die Unternehmer das normal gemacht, die waren halt früher im Verein, bei der Feuerwehr oder sonst wo engagiert und haben sich für die Gemeinschaft eingesetzt und heute finden wir irgendwie ganz tolle neue Worte, um das ja damalig Selbstverständliche heute wieder irgendwo zu thematisieren. Wir haben da viel verloren. Ich habe letztens mit einem Unternehmer gesprochen, der einfach einen Teil seines Gewinnes so und so für soziale Zwecke gibt, aber es umgedreht hat und sagt, er gibt es über die Mitarbeiter für soziale Zwecke. Die Mitarbeiter können sich bewerben, so und so viel pro Jahr, um das für die lokale Feuerwehr, fürs Rote Kreuz, fürs DHW, wo sie selber ehrenamtlich aktiv sind, dort einfach Geld von der Firma zu bekommen. Das finde ich eine ganz coole Geschichte und eine ganz gute Geschichte, dass Unternehmer so was tun.

Moderation:
Die Unternehmens-Werte werden vor allem durch die Mitarbeiter lebendig. Dazu braucht es allerdings die Eigenverantwortung eines jeden Einzelnen. Die Eigenständigkeit der Mitarbeiter können Unternehmer selbst stärken und fördern. Sedmak verrät, wie es geht.

O-Ton Clemens Sedmak:
Dadurch, dass ich möglichst vielen Menschen möglichst viel Spielraum gebe und sie dann auch wirklich Grund haben zu glauben, ich kann etwas beeinflussen und bewirken, dadurch dass ich den Menschen die Möglichkeit einräume, mistakes zu machen, also nicht grobe und fahrlässige Fehler, aber doch ehrliche Fehler, also die Stärkung der Fehlerkultur in einem Betrieb. Ich kann die Menschen dadurch motivieren, dass ich sie beteilige an den Konsequenzen dessen was sie tun oder nicht tun, in welcher Form man das auch immer auch macht und viertens, ich kann die Menschen in wichtige Entscheidungen auch so einbinden, dass sie sehen der Betrieb, das ist eine Einheit, wo wir alle an einem Strang ziehen müssen, damit der Betrieb langfristig überleben kann.

Moderation:
Die Anforderungen an die Unternehmer von heute haben sich allerdings um einiges verschärft. Meistens fehlt einfach die Zeit, neben der Arbeit im Verein tätig zu sein oder sich ehrenamtlich zu betätigen. Oder fehlt sie doch nicht?

O-Ton Cay von Fournier:
Sie haben 24 Stunden, ich hab 24 Stunden, also diese These, dass wir wenig Zeit haben ist ja schlichtweg eine Lüge. Menschen haben 24 Stunden am Tag. Die Frage ist, worauf fokussieren wir uns und im Unternehmen wird eben auch sehr viel getan, was unsinnig ist. Da kann man das Unternehmen schon straffen und organisieren und sagen, was ist wirklich wichtig und ich glaube, die Balance im Leben, wie im Interview eben gesagt, dass wenn jemand um sich selber kümmert ist ebenso wichtig wie sich sozial engagieren, als auch sich um sein Unternehmen zu kümmern und das ist eben nicht nur Hektik, sondern das ist oftmals Fokus und Konzentration.

ACHTUNG: Die Transkripte werden direkt von den Audio-Interviews übernommen. Die Zitate können daher grammatikalische Fehler enthalten.