Intro durch O-Ton Claudia S.:
Zu privaten Festen bin ich einfach nicht mehr eingeladen worden. Und bei der Arbeit wurde dann über diese supertollen Partys gesprochen. Auch bei den Mittagessen war ich dann auf einmal nicht mehr dabei. Ich habe inzwischen Telefondienst für die Kollegen gemacht. Irgendwann habe ich es akzeptiert und habe mich von vorne herein selbst ausgeschlossen.
Moderator:
Claudia S. ist 45 Jahre alt, war 18 Jahre in einer Firma beschäftigt und spürte am eigenen Leib, wie es ist, zum Mobbing-Opfer zu werden. Für Mediatorin und WIFI-Coach Elfi Rosner ist Mobbing klar zu definieren.
O-Ton Elfie Rosner:
Was für mich Mobbing ist, und da halte ich mich wirklich streng an die Literatur, weil die Abgrenzung von Mobbing sehr wichtig ist, ist eine dauerhafte Form von Feindseligkeiten, die gegen eine Person gerichtet ist und manchmal auch gegen Gruppen, von einer Person und manchmal von Gruppen. Dauerhaft heißt, mindestens einmal in der Woche und länger als sechs Monate hindurch .
Moderator:
Bei Claudia S. hatten diese Feindseligkeiten schwerwiegende Folgen:
O-Ton Claudia S.:
Nach einiger Zeit habe ich an mir gezweifelt, die Arbeitsleistung hat nachgelassen, ich wurde immer unsicherer und habe nicht mehr an meine eigenen Fähigkeiten geglaubt. Es sind dann Fehler aufgetreten, die vorher nie passiert sind. Es kam zu Schlafstörungen und ich wollte nicht mehr in die Arbeit gehen, hatte keine Motivation mehr und die Freude am Job war weg.
In weiterer Folge ist es zu einem massiven Burnout und Depressionen gekommen. Ich war ein Jahr im Krankenstand und bin vor drei Jahren aus der Firma ausgetreten.
Moderator:
Wichtig ist Kritik von Mobbing zu unterscheiden: Während Mobbing unsachliches Kritisieren über einen längeren Zeitraum bedeutet, bezieht sich positive Kritik auf ein eindeutig erklärbares und nachvollziehbares Fehlverhalten. Und: Die Person, die konstruktiv kritisiert, lobt einen meistens auch.
Was viele nicht wissen: Man kann auch selbst vom Mobbingopfer zum Täter werden. Wie dieses Phänomen entsteht, erklärt Ö3-Lebenscoach und Psychiater Dr. Bernhaut.
O-Ton Dr. Bernhaut:
Ich kann mich selbst daran erinnern, dass wir als Schüler im zweiten, dritten Gymnasium zum Beispiel Lehrer hatten, Professoren, die sehr streng waren. Und da haben wir unseren Frust, die meisten Schüler zumindest, unterdrückt und diese Strenge zugelassen. Bei Verdrängen ergibt sich natürlich ein Reservoir an Frustration. Und wenn man viel Frustration hat, baut sich auch Aggression auf. Was war der Effekt: Junge Lehrer, die zwei, drei Monate an der Schule waren, begonnen haben zu lehren, die haben wir fertig gemacht.
Moderator:
Damit Sie von Beginn an nicht zum Mobbingopfer werden, gibt es kein Patentrezept, da jeder Mensch anders ist und sein Verhalten nicht von heute auf morgen verändern kann. Es gibt aber sehr wohl hilfreiche Tipps wie ein Tagebuch zu schreiben, in dem alle Mobbing-Erfahrungen akribisch aufgeschrieben werden. Bestimmte Körperhaltungen und Verhaltensweisen erschweren ebenso Mobbing.
O-Ton Elfie Rosner:
Arbeiten Sie an Ihrem Selbstbewusstsein, lernen Sie sich einmal dagegen zu wehren und irgendwie Gegensprüche zu erarbeiten. Besuchen Sie solche Kurse, wie kann ich selbstbewusst auftreten und Leuten rein von der Körperhaltung ihr Selbstbewusstsein zu signalisieren. Das ist schon eine gute Präventivmaßnahme.
Moderator:
Wie verhindert der Ö3-Lebenscoach selbst Mobbing an sich?
O-Ton Dr. Bernhaut:
Ich als Mobbingopfer – das passt nicht zusammen. Weil mein erster Chef hat gemerkt – das war ja lustig – der hat ja alle fertiggemacht: Gestandene Oberärzte, Familienväter. Bei mir hat er gemerkt, ich glaube an meinen Augen: Wenn er einmal deppert ist, lasse ich den weißen Mantel liegen und den Piepser und gehe. Und gehe Plakate kleben oder Fenster putzen, das hat er gespürt.
Moderator:
Wie kann man langfristig dem Mobbing-Kreislauf entgehen?
O-Ton Dr. Bernhaut
Das kann einem Mobbingopfer noch einmal passieren und noch dreimal passieren. Dann ist ganz wichtig professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Weil dann geht es um tiefliegende Prägungen, um Mechanismen, da gibt es ein Zitat. „Geben ist seliger denn nehmen.“ Viele Menschen, zum Beispiel meine Eltern, oder die Großelterngeneration sind so aufgewachsen, dass habe ich in meinem Buch – „Ein Indianer kennt keinen Schmerz?“ dargestellt. Und es geht ganz stark um die Selbstachtung, um den Selbstwert, um die Ich-Identität.
Moderator:
Das Schlüsselwort zur erfolgreichen Mobbing-Abwehr heißt also Selbstvertrauen. Und daran können Sie feilen.
O-Ton Elfi Rosner:
Wenn mich jemand angeht mit irgendeiner Boshaftigkeit, nicht den Kopf und den Blick senken, sondern ihn gerade anschauen. Da gibt es einen wunderbaren Ausdruck dazu: das ist der Sphinx-Blick. Stellen Sie sich eine Sphinx vor, die schaut einfach und sagt nichts. Tun Sie sich nicht rechtfertigen, ja ich habe das eh nicht so gemeint, sondern schauen Sie ihm gerade in die Augen und stellen Sie womöglich Nachfragen: Was haben Sie genau bemerkt, und was genau bekritteln Sie, dass ist mir zu allgemein. Stehen Sie gerade da und schauen Sie ihn an. Und Sie werden merken, das signalisiert Selbstbewusstsein. Er wird sich unter Umständen ein anderes Opfer suchen.
Moderator:
Auch Claudia S. hat an ihrem Selbstvertrauen gearbeitet und so den Weg aus dem Teufelskreis Mobbing geschafft. Jetzt kann sie Betroffenen wichtige Tipps geben.
O-Ton Claudia S.:
Aus heutiger Sicht würde ich das direkte Gespräch mit dem Mobber suchen. Ihm die Frage stellen, warum er mich eigentlich mobbt. Aber das ist sehr schwierig, weil welches Opfer hat die Kraft und den Mut? Man hat Angst davor, sich lächerlich zu machen, Schwäche zuzugeben. Es ist auch ganz wichtig Einzelgespräche mit Mitläufern zu führen um diese aufzuklären. Die Chance dabei ist, den Mitläufern die Augen zu öffnen. Was ich aus heutiger Sicht auch anders machen würde: Ich würde direkt das Gespräch zum Chef suchen und ihn überzeugen, zu mir zu stehen, mich zu unterstützen und das da irgendwas nicht stimmt. Ich würde nicht mehr so lange zusehen, sondern mir gleich professionelle Hilfe suchen.