Moderation:
Nein zu sagen ist für viele die schwierigste Sache der Welt. Oft wird versucht sich davor einfach zu drücken. Aber warum ist das so? WIFI-Trainerin Irene Schneiderbauer kennt den Grund.

O-Ton Irene Schneiderbauer:
Das eine ist, dass man immer das Gefühl hat, wenn man eine Grenze setzt oder nein sagt, dass das negativ ist. Man verletzt den anderen, der mag mich nicht mehr, darf ich das überhaupt? Das heißt, es gehört auch dazu, zu überlegen, Grenzen setzen kann auch positiv sein. Auf der einen Seite für mich selber, auf der anderen Seite aber auch, um dem anderen Orientierung zu geben: Was will ich, und was will ich nicht.

Moderation:
Für Führungskräfte-Coach August Höglinger ist es die Furcht vor Konsequenzen, warum uns das Neinsagen so schwer fällt.

O-Ton August Höglinger:
Das kann Liebesentzug sein, das kann Auftragsentzug sein, das kann sein, dass jemand verletzt ist und böse auf uns ist. Das können Rachegefühle sein, die bei diesem Menschen entstehen. Wir fürchten uns vor den Konsequenzen. Das ist der Hauptgrund warum wir Angst haben nein zu sagen.

Moderation:
Um sich nein sagen anzugewöhnen, gibt es Hilfsmittel, die wir im täglichen Leben üben können.

O-Ton August Höglinger:
Ich muss um nein sagen zu können wissen, wo die Grenze ist. Und diese Grenze ist schwierig zu finden. Zum Beispiel ist es sehr günstig, wenn man sich immer wieder am Abend hinsetzt und überlegt: Was hat mich heute geärgert, gekränkt, verletzt, wo hatte ich ein ungutes Gefühl. Und dann nachsinnt: Was war denn eigentlich der Grund dafür? Und damit stößt man auf Grenzen. Und ganz, ganz wichtig ist, dass man diese Grenzen lernt zu erkennen, zu achten und dann später auch lernt diese Grenzen zu verteidigen. Ich musste zum Beispiel lernen, zu Freunden nicht zu sagen, fühl dich wie zu Hause hier bei mir. Weil die haben sich dann wie zu Hause gefühlt hier. Und das hat mir überhaupt nicht gepasst. Und mit solchen Sätzen lädt man Menschen auch oft ein dazu. Oder sagt, bitte ruf mich an, wenn du etwas brauchst. Also manchmal legt man sich ja damit selber ein bisschen hinein.

Moderation:
Ein weiterer Trick ist es, sich nein sagen in einem spielerischen Umgang anzugewöhnen. Versuchen Sie in ganz banalen Situationen mit dem Nein zu experimentieren.

O-Ton August Höglinger:
Angefangen bei der Wursttheke im Geschäft, wo ich, wenn ich gefragt wurde „Darf es ein bisschen mehr sein?“, einfach nein gesagt habe. Oder wenn ich wo eingeladen war und man wollte mir noch ein Achterl nachschenken, ich einfach nein gesagt habe. Also bei vielen kleinen Dingen habe ich gelernt, und damit habe ich dieses Grundverständnis, den Mut bekommen auch für größere Dinge dort das Nein anzuwenden.

Moderation:
Das wichtigste beim Neinsagen ist es, es in einer höflichen, aber bestimmten Art und Weise zu tun. Dafür gibt es einige Tricks.

O-Ton August Höglinger:
Der Lieblingstrick, den ich habe, ist zu sagen „Wir tun das prinzipiell nicht“ oder „Ich mache das prinzipiell nicht“. Das ist eine ganz gute Redewendung. Sonst muss man aufpassen. Jeder Mensch hat Knöpfe. So wie beim Hemd Knöpfe. Und drückt man diese Knöpfe, dann tut der Mensch genau das, was man will. Und einer dieser Knöpfe ist der Annerkennungsknopf. Wenn man sagt „Das kannst nur du und sonst keiner“, dann ist das Anerkennung. Heißt aber gleichzeitig auch, dass niemand anderer da ist der das machen kann. Also da muss man schauen wo ist dieser Knopf. Oder es gibt den Drohknopf. Zum Beispiel: „Wenn Sie das nicht machen, dann macht es Ihre Konkurrenz. Die freuen sich bestimmt darüber.“ Oder „Wenn wir Sie nicht hätten...“. Also diese Knöpfe muss man kennen. Wenn man diese Knöpfe kennt, bei sich selber, dann weiß man auch, wie die Antwort dabei lautet. Aber die Knöpfe zu finden ist das wichtigste.

O-Ton Irene Schneiderbauer:
Das zweite, wenn ich mir noch nicht so sicher bin, ich kann mit Alternativen oder Gegenangeboten spielen, also so „Heute kann ich leider keine Überstunden machen, aber ich wäre bereit morgen eine Stunde länger dazubleiben“. Es ist auch eine Möglichkeit zu sagen, nämlich den anderen ein Stück in die Verantwortung mit hinein zu nehmen und zu sagen, heute kann ich leider nicht länger dableiben, weil ich muss Besorgungen machen, es sei denn ich kann zum Beispiel morgen später kommen und kann meine Besorgungen am Vormittag machen. Das heißt, es geht darum, dass man dem anderen auch die Verantwortung lässt.

Moderation:
Wenn Sie es geschafft haben, nein zu sagen, entstehen dadurch viele Vorteile, wie Irene Schneiderbauer weiß.

O-Ton Irene Schneiderbauer:
Das kann ich nur von meiner Erfahrung selber sagen beziehungsweise, was mir Klienten zurückerzählen, dass es einfach so ein Gefühl ist, dass man sich selber ernst genommen hat. So „wow“, so ein richtiges „Wowgefühl“, und das zweite ist, was immer wieder überraschend auftritt, dass, wenn man sich an gewisse Kommunikationsspielregeln hält, das beim Gegenüber kein Problem ergibt. Es erzeugt eher Verständnis, es gibt Orientierung, ok, die will das nicht, oder die kann das nicht, oder es funktioniert so nicht. Das heißt, es gibt auch sehr viel Klarheit und Struktur in der Beziehung zueinander.

O-Ton August Höglinger:
Also wenn man nein sagt zu anderen Menschen, dann sagt man ja zu sich. Und das ist heutzutage unbedingt notwendig, denn wir leiden nicht am „zu wenig“ sondern am „zu viel“. Wir haben zu viel Stress, zu viel Arbeit, zu viel Gewicht usw. Deswegen ist es unwahrscheinlich wichtig, dass wir nein sagen lernen.

ACHTUNG: Die Transkripte werden direkt aus den Audio-Interviews übernommen und können daher grammatikalische Fehler enthalten.