Moderation:
Eine abgewetzte Lederhose mit stilgerechten Hosenträgern. Dazu eine knallrote Rund-Brille und ein nach Sommer schreiendes oranges T-Shirt lässig über dem weißen Hemd getragen. Da wächst die Freude, steht unter einer bunten Blume auf dem T-Shirt geschrieben. Johannes Gutmann, Gründer der ausschließlich aus biologischen Zutaten hergestellten Tee und Kräuter-Marke Sonnentor ist kein Unternehmer im herkömmlichen Sinn. Die Lederhose ist sogar das Vermächtnis vom UrUrUr-Großvater des Waldviertler-Unternehmers. Wo er auftaucht, sind ihm die Blicke aller anwesenden sicher. Dabei will Gutmann damit gar nicht auffallen.

O-Ton Johannes Gutmann:
Ich fühl mich damit wohl, weil ich gerne nicht auffalle sondern weil ich gerne bunte, fröhliche Kleider habe. Das was man außen hat, ist man ja auch innen. Wenn Sie sich irgendwas drüberhängen und Sie glauben plötzlich sind Sie jemand anderer, das stimmt nicht, denn Sie sind nicht immer der Gleiche. Wenn Sie nicht dahinterstehen, ob das jetzt eine Idee ist oder eine Beziehung oder mit Ihrer Kleidung, fühlen Sie sich nicht wohl.

Moderation:
Das Unternehmertum ist im Wandel. Was im 20. Jahrhundert als oberste Maxime galt, ist heute veraltet. Ja, fast schon ein Relikt aus längst vergangener Zeit. Heute bedeutet es mehr, als das Streben nach Gewinn. Für viele Firmenchefs rückt der Gewinn mehr und mehr in den Hintergrund. Natürlich ist er notwendig für den Fortbestand eines Unternehmens, aber was heute vor allem zählt, ist die Überzeugung, mit der man ans Werk geht.

O-Ton Johannes Gutmann:
Meine Freude ist eigentlich der Sinn im Leben, dass ich das, was ich täglich tu mit Freude mache, dass ich viele Rückmeldungen bekomme von Mitarbeitern, von Konsumenten, von Bauern, von Paten, dass das, wie wir agieren einzigartig ist. Das ist jetzt kein Marketing-Gag sondern das war auch nicht angedacht, nur wir sind es geworden, weil leider so wenig andere so agieren wie wir und deswegen fallen wir umso mehr auf. Deswegen ist unsere Kraft der Marke intensiver geworden in den letzten Jahren und das ist eigentlich das Allerschönste, dass plötzlich Bestätigung für diesen Weg kommt, wo jeder gesagt hat, der spinnt, das funktioniert nicht.

Moderation:
Regelrecht unscheinbar sieht der geborene Bamberger Günter Faltin mit Anzug und Krawatte neben Johannes Gutmann aus. Doch der Schein trügt. 1985 kam der Berliner Universitätsprofessor auf den Geschmack des Unternehmertums. Er gründete die „Projektwerkstatt GmbH“. Ein Tee-Hersteller der zu damaligen Zeiten ein unmögliches und ungewöhnliches Geschäftsmodell präsentierte. Er importierte Darjeeling-Tee aus Indien. Dies tat er allerdings ohne die üblichen Zwischenhändler. Zusätzlich wurde der Tee in Großpackungen verkauft. Für damalige Verhältnisse undenkbar. Die fehlenden Zwischenhändler und die damit niedrigeren Kosten erlaubten es ihm seinen Tee zu einem Preis anzubieten, der die Konkurrenz um ein vielfaches unterbot. Mittlerweile zählt er zu den weltweit größten Importeuren von Darjeeling Tee.

Im Gegensatz zur Tee-Ernte steht sein Bemühen, für das von ihm selbst initiierte Wiederaufforstungsprojekt S.E.R.V.E, das er gemeinsam mit dem WWF in Darjeeling, einem Distrikt in Indien, betreibt. Der Unterschied zwischen den „alten“ und den „neuen“ Unternehmern liegt also nicht in der Kleidung. Kopf schlägt Kapital, stellt Faltin nüchtern fest. Ausschließlich auf Gewinn eingestellte Unternehmen werden immer mehr auf das Abstellgleis der Wirtschaft gestellt.

O-Ton Günter Faltin:
Es geht heute mehr um Ideen und Konzepte. Die Bedeutung von Kapital nimmt ab, wir müssen stärker auf die Bedürfnisse achten, deswegen geht es mehr um Konzepte. Das ist schon mal positiv, weil damit sozusagen das Übergewicht von Kapital ein bisschen abnimmt. Zweitens kann man sagen, wir können das was früher sag ich Unternehmertum genannt war, heute ein bisschen besser trennen in das neue Denken und das neue Umsetzen, also Innovation und Business Administration, das ist das Organisieren und Verwalten. Und noch was Drittes ist neu. Ich bin nicht mehr der kleine, überarbeitete Selbstständige. Ich muss heute nicht mehr alles machen. Ich kann mir spezialisierte Dienstleister holen und kann mich dann mehr auf das Konzept kaprizieren, das heißt, ich kann mehr gucken, was brauchen die Menschen wirklich.

Moderation:
Ein neues Unternehmen zu gründen ist für Faltin wie ein Kind auf die Welt zu bringen. Es geht hierbei vor allem um neue Ideen. Das neue Unternehmertum ist mutiger als das alte. Es sucht sich die Regeln eines Marktes und bricht diese dann ganz gezielt. Diese Regelbrecher oder Rulebreaker, gelten als das neue Maß aller Dinge. Denn, nur wer etwas Neues bieten kann, wird erfolgreich sein. Der moderne Unternehmer ist für Faltin:

O-Ton Günter Faltin:
Wie ein Komponist, der muss ein gutes Stück schreiben, nicht abschreiben von den anderen, nicht das machen, was alle andern auch schon machen. Noch ein Restaurant, noch ein Copy-Shop, noch eine Modeboutique, noch ein Friseur, sondern er soll was Neues, von einem Komponisten erwartet man, dass er ein neues Stück schreibt, das die Menschen bewegt, das ihm gefällt, das auch ein Stück zeitgemäß natürlich ist und vielleicht Dinge macht, die die anderen vor ihm noch nicht gemacht haben.

Moderation:
Als Unternehmer trägt man auch große Verantwortung für die Mitarbeiter. Die größte Herausforderung für Vorgesetzte sieht Gutmann darin, die Mitarbeiter zu motivieren und von der eigenen Idee genau so sehr zu überzeugen, wie man es selbst ist. Entscheidend dabei ist vor allem die eigene Einstellung.

O-Ton Johannes Gutmann:
Wenn Sie nicht unbedingt der zahlengetriebene Mensch sind, wenn Sie auch Ihren Mitarbeitern das Vertrauen schenken und ich komm nicht in die Firma um jetzt zu kontrollieren, ist er jetzt da, ist er am Arbeitsplatz, wann geht er nachhause, das ist mir „wurscht“. Jeder übernimmt Arbeit, jeder übernimmt die Verantwortung und macht es gerne, damit entsteht so etwas. Und wenn ich jetzt kommuniziere nach außen, dann muss ich gezielt kommunizieren. Dann muss ich Botschaften bringen, die passen. Dann muss ich es aber auch selbst vorher verstehen und nicht nur etwas nachbeten, was mir irgendwer erzählt hat. Und deswegen in der Kommunikation liegt ja so viel Reinigung. Wieso braucht jeder Zweite irgendeinen Therapeuten oder einen Psychiater oder irgendwas. Wenn ich ordentlich rede, wenn ich einfach so umgeh wie ich auch will, dass die Leute mit mir umgehen, dann ist ja diese Psychohygiene da drinnen und deswegen hat mein Vater immer gesagt "Bua, machs Maul auf, sonst musst das Geldbörserl aufmachen." Da liegt ja so viel Wahrheit, da liegt ja auch so viel Kostenersparnis und da liegt auch so viel Freude drinnen.

Moderation:
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass fehlende Mitarbeiter-Motivation auch an der oftmals großen räumlichen Trennung von Unternehmer und Arbeitnehmern lag. Soziales Engagement, gemeinsames Mittagessen und Freizeitangebote sind heute keine Seltenheit mehr. Das war nicht immer so, weiß Günter Faltin.

O-Ton Günter Faltin:
Ich erinnere an den berühmten Gründer der Honda Motorradwerke in Japan. Der ging eines Tages durch seine Fabrik und sah Arbeiter in der Pause, wohlgemerkt in der ihnen zustehenden Pause, Fußball spielen und da wurde er fuchsteufelswild, er hatte doch einen Traum der Menschheit sozusagen umgesetzt, nämlich auf zwei Rädern nach vorwärts schnell zu fahren, sozusagen unabhängig zu werden von Raum und Zeit, Motorrad war damals etwas Besonderes und da spielen zwei Arbeiter einfach nur Fußball, statt von seiner Idee, von seinem Menschheitstraum begeistert zu sein, da wurde er fuchsteufelswild. Und das zeigt, das eine ist selber als Mensch etwas in die Welt zu setzen und dann andere zu motivieren, auch so begeistert zu sein.

Moderation:
Unternehmer zu werden um viel Geld zu verdienen ist für Johannes Gutmann nicht der richtige Weg. Möglich ist es auf jeden Fall. Dadurch, dass Gutmann zu fast hundert Prozent alleiniger Gesellschafter von Sonnentor ist, könnte er ein Vermögen verdienen. Wenn er es wollen würde. Lieber investiert er sein verdientes Geld jedoch wieder in neue Projekte und in Verbesserungsmaßnahmen für sein Unternehmen. Geld ist eben nicht alles.

O-Ton Johannes Gutmann:
Mir bleibt im Monat ein Tausender. Und davon kann ich locker leben. Weil ich hab ein gemeinsames Mittagessen, alle meine Mitarbeiter bekommen auch ein tägliches Mittagessen, das ist gratis, wir haben Köchinnen angestellt, wir wissen was wir essen, wir wissen, dass wir uns gut ernähren wollen. Wir haben eigentlich ein sehr, sehr gemeinschaftliches System. Ich habe nicht einmal ein Auto, ich hab genug Firmenautos, ich kann jeden Tag mit fünf fahren, weil auf Nacht so viele Kraxen herumstehen, also es ist alles da. Ich kann auch nur in einem Bett schlafen, ich kann nur zwei Mal am Tag essen, alles andere ist ungesund.

Moderation:
Um als Unternehmer im 21. Jahrhundert erfolgreich zu sein, ist also vor allem eines besonders wichtig: Freude am Unternehmertum selbst zu haben.

ACHTUNG: Die Transkripte werden direkt von den Audio-Interviews übernommen. Die Zitate können daher grammatikalische Fehler enthalten.