Moderation:
Wussten Sie, dass Österreich im Jahr 2010 der größte ausländische Direktinvestor in der Türkei war – weit vor Ländern wie Frankreich, Deutschland und den USA? Nicht nur Großkonzerne, auch kleine Betriebe lockt das rasante Wirtschaftswachstum am Bosporus. Modedesigner Atil Kutoglu führt seit zwei Jahren in Istanbul erfolgreich einen Store. Der Stardesigner räumt anhand seiner eigenen Businesserfolge mit dem Vorurteil auf, die Türken seien weit entfernt vom westlichen Lebensstil.

O-Ton Atil Kutoglu:
Ich habe vor kurzem auch einen Möbelentwurf gemacht für eine große türkische, für einen Giganten. Dogtas. Die sind auch mit Geschäften in Deutschland und Österreich und anderen europäischen Ländern vertreten. Da habe ich mich inspirieren lassen von einem Kleid, das Naomi Campbell auf einer New Yorker Modeschau von mir getragen hat. Mit grafischen Effekten. Mit Pink und schwarzen Streifen….

Und ich höre jetzt von der Möbelfirma Dogtas, dass der Verkauf sehr gut läuft, von diesen Produkten.

Moderation:
Natürlich gibt es kulturelle Unterschiede zwischen Österreichern und Türken. So leben die Menschen in der Türkei stärker den Kollektivismus, sind also in Großfamilien oder Gruppen verankert, die sich gegenseitig stützen. Und auch im Nationalbewusstsein gibt es Unterschiede – dieses ist im Land am Bosporus höher. Dafür schätzen die Türken bei den Österreichern die gute Geschäftsvorbereitung, wie WIFI-Trainerin und Übersetzerin Sanem Keser-Halper weiß.

O-Ton Dr. Sanem Keser-Halper:
Österreich ist einer der wichtigsten westeuropäischen Wirtschaftspartner der Türkei. Der österreichische Geschäftspartner ist zum Beispiel sehr beliebt und zeichnet sich durch Seriosität, Genauigkeit und Verlässlichkeit aus und ist zudem sehr gut organisiert und vorbereitet.

Moderation:
Einige vorab erlernte Phrasen heben Ihren Sympathiefaktor ungemein. Und das, obwohl sehr viele Türken Englisch und auch Deutsch beherrschen.

O-Ton Atil Kutoglu:
Ich denke, dass die Türken sich freuen, wenn Ausländer ein paar nette, türkische Wörter sprechen, sagen können. Angefangen mit merhaba – heißt so gut wie hallo, grüß Gott. Oder Tesekür ederim – dass man sich auf Türkisch bedankt. Das macht sicher – wie in jedem Land – einen guten Eindruck.

O-Ton Dr. Sanem Keser-Halper:
In der Türkei begrüßt man sich per Handschlag und sagt dann zum Beispiel „iyi günler“, das bedeutet „Guten Tag“ und stellt sich mit dem eigenen Namen vor. Zum Beispiel „Ben Hans Berger“ und wenn man noch einen Kollegen vorstellen möchte „buda“ und nennt den Namen des Kollegen oder der Kollegen. Auf den Willkommensgruß „hosgeldiniz“ antwortet man höflich mit „hosbulduk“. Auf die Frage „nasilsiniz“ „Wie geht es Ihnen“, könnte man mit „Tesekkür ederim. Iyiyim. Ya siz?“ antworten. Was bedeutet: „Danke, gut. Und Ihnen?“.

Moderation:
Das Einlernen von Phrasen ist gerade deshalb so wichtig, weil vor dem Einstieg in ein Meeting Smalltalk angesagt ist. Familie, Gesundheit und natürlich Fußball sind beliebte Themen. Vermeiden Sie hingegen Diskussionen zur Politik. Natürlich spielt aber auch das Essen bei Geschäftsgesprächen eine wichtige Rolle, meint Keser-Halper.

O-Ton Dr. Sanem Keser-Halper:
Ein türkisches Geschäftsessen ist von großer Bedeutung, weil der Gastgeber sich präsentieren möchte. Der Gastgeber möchte sein Land präsentieren. Der Gastgeber möchte die Köstlichkeiten des Landes zur Schau stellen. Das heißt, er entscheidet über das Lokal und die Uhrzeit. Dann fährt man gemeinsam hin, wird vielleicht sogar abgeholt. Bei der Menü- und Speisenauswahl gibt der Gastgeber seine Empfehlung ab und bestellt dann aus seinen Vorstellungen. Denn er weiß, was gut ist und was dem Gast schmecken könnte.

Moderation:
Der Gastgeber übernimmt dann auch die Rechnung. Das Geschäftsessen ist laut Keser-Halper auch aus einem einfachen Grund wichtig: Verträge werden oft im Rahmen von diesem Treffen oder erst am nächsten Tag abgeschlossen. Die Türken nutzen also das Geschäftsessen, um den möglichen Geschäftspartner ein bisschen näher kennen zu lernen.

Der Basar in der Türkei als typischer Treffpunkt für Geschäfte? Weit gefehlt. Heutzutage ist dieser Ort vor allem für Touristen gedacht. Das echte Geschäftsleben geht strukturiert in Büros und Meetingräumen über die Bühne. Wobei – auf eines müssen Sie beim Verhandeln gefasst sein.

O-Ton Atil Kutoglu:
Vielleicht sollte man auf das Handeln vorbereitet sein und ein bisschen höhere Preise oder Beträge angeben, ganz am Anfang. Weil die Türken gerne runterhandeln.

Moderation:
Um in der Türkei zu punkten, müssen Sie bei sich das Persönliche und die Emotionalität in den Vordergrund stellen.

O-Ton Dr. Sanem Keser-Halper:
…ein Geschäftspartner kann sehr schnell zu einem Freund werden. Und mit Geschenken – da genügen zum Beispiel schon landestypische Kleinigkeiten, wie zum Beispiel Sachertorte, Mozartkugeln – punkten Sie auf alle Fälle. Aber auch mit einer unverbindlichen, aber ernst gemeinten Einladung nach Österreich.

Moderation:
Kutoglus Kleider sind von hoher Qualität und im oberen Preissegment angesiedelt. Ist das vielleicht das Erfolgsgeheimnis, um den Türkischen Markt zu erobern?

O-Ton Atil Kutoglu:
Ich glaube, es ist eine Mischung von allem. Es ist das Produkt, die Qualität, die Kombination von allem macht den Erfolg aus, dass ein Produkt, eine Firma in einem neuen Markt erfolgreich wird. Österreich ist bekannt für gute Produkte – in welchem Feld auch immer, in welchem Gebiet auch immer. Ich denke, gerade die Türkei, in den Gebieten, wo der Markt nicht sehr überfüllt ist von ausländischen Marktanbietern, finde ich, dass Österreicher große Erfolge feiern werden.

Moderation:
Neben dem Produkt ist aber auch die Art Ihrer Verhandlungsführung maßgeblich für den Geschäftserfolg. Und darauf müssen Sie sich in der Türkei besonders gut einstellen.

O-Ton Dr. Sanem Keser-Halper:
Tipps für erfolgreiches Verhandeln – da gibt es jede Menge. Man soll zum Beispiel nicht mit Vorurteilen kommen, keine Arroganz an den Tag legen, den Geschäftspartner respektieren, ihm Vertrauen entgegenbringen und handeln beim Verhandeln. Denn das betont die Ernsthaftigkeit von Zueinanderfinden, Zusammenarbeit und Geschäftsabschluss.

O-Ton Atil Kutoglu:
In der Türkei besteht natürlich – so gesehen – größere Differenzen zwischen dem Leben in den Großstädten als in kleinen Ortschaften oder Dörfern im Land, gerade im Osten des Landes. Aber man muss bedenken, dass die Türkei auch geographisch ein großes Land ist und dass es ein großer Markt ist, mit 70 Millionen Einwohnern. Und man sollte eben dann auf diese Unterschiede vorbereitet sein.